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Weihbrotschale / Weihebrotschale

Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt Schatzkunst [DS036]
Weihebrotschale (Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt / Bertram Kober/ Punctum (CC BY-NC-SA)
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Beschreibung

Mit der Weihbrotschale bewahrt der Halberstädter Domschatz „wohl die vornehmste, im Figürlichen wie im Ornament gleich vollendete Treibarbeit, die uns aus Byzanz erhalten ist“; so urteilte bereits der Kunsthistoriker Otto von Falke (Falke 1936, S. 168). Die Feinheit der Arbeit, die Vielfältigkeit des Schmucks und die Hochwertigkeit des Materials machen die Weihbrotschale zu einem einzigartigen Zeugnis romanischer Kunst aus Konstantinopel. Auch historisch verbinden sich mit ihr spannende Überlieferungen, da sie ursprünglich wohl aus der Palastkapelle in Konstantinopel stammte, mit hoher Wahrscheinlichkeit 1205 vom Halberstädter Bischof Konrad von Krosigk nach der Plünderung Konstantinopels in den Halberstädter Dom gebracht und dort zu einer neuen Verwendung umgearbeitet wurde.
Die Weihbrotschale ist ein großer, kreisrunder Teller aus verschwenderisch reich vergoldetem Silber. Ihre Form prägen ein hoher, breiter Tellerrand und eine achtpassförmige Bodenvertiefung. Ihr vollständig die Oberfläche bedeckender Reliefdekor zeigt zwischen getriebenen Ranken auf dem Tellerrand plastisch gearbeitete Büstenmedaillons und in der Tellermitte die großflächige Darstellung der Kreuzigung Christi.
Darin steht Christus, mit weit ausgebreiteten Armen ans Kreuz genagelt, flankiert von links Maria und rechts dem Jünger Johannes. Maria wendet sich mit vor die Brust gehobenen bzw. auf ihn weisenden Armen Christus zu, Johannes greift in sein Gewand und zieht seine Rechte trauernd zur Wange. Seitlich über dem Kreuz erscheinen zwei Engel in Halbfiguren in betender und auf Christus deutender Haltung. Inschriften in griechischer Sprache begleiten die figürlichen Darstellungen und erklären das Bildprogramm: Die prominenteste, erhaben getriebene umzieht in einem kreisrunden Inschriftenband die Bilddarstellung im Schalenboden: „Nehmt, esst, das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird zur Vergebung der Sünden“. Die Worte Jesu beim Letzten Abendmahl vermitteln deutlich den Bezug des Opfertods Christi und der Eucharistie. Der Titulus des Kreuzes zeigt die Abkürzung für Jesus Christus (der Gesalbte), Gravuren neben Maria und Johannes geben zwei der letzten Worte Jesu wieder: „Siehe da, dein Sohn! Siehe da, deine Mutter!“ Alle weiteren Inschriften bezeichnen die dargestellten Figuren, so über den Engeln der Kreuzigungsdarstellung die Namen der Erzengel Michael und Gabriel.
Die Schalenwandung und der Schalenrand bergen versetzt je acht Heiligendarstellungen in Rundmedaillons. Diese umziehen feine Rankenbänder aus jeweils ganz individuell modellierten Blättern. Ranken füllen auch die Flächen in den Pässen des Tellerbodens. Die Rundmedaillons des Schalenrands zeigen die Brustbildnisse acht heiliger Bischöfe mit Buch in Händen. Um die Köpfe eingravierte Namensinschriften benennen sie von oben im Uhrzeigersinn: Der heilige Basileios. Der heilige Gregorios. Der heilige Rolasios (statt Blasios). Der heilige Spyridon. Der heilige Athanasios. Der heilige Johannes Chrysostomos (der Goldmund). Die Medaillons der Innenwandung beinhalten die Brustbildnisse von acht Soldaten- bzw. Märtyrerheiligen mit Kreuzen in den Händen und den Namensinschriften: Der heilige Demetrios. Der heilige Theodoros. Der heilige Merkurios. Der heilige Eustathios (Eustachius). Der helige Nestor. Der helige Niketas. Der heilige Prokopios. Der heilige Gregorios.
Diese Inschriften in griechischer Schrift und Sprache und das Bildprogramm mit Heiligen der orthodoxen Kirche belegen die Herkunft der Weihbrotschale aus dem byzantinischen Kulturkreis. Wie Christian Hecht in einer ausführlichen Besprechung der Weihbrotschale herausstellte, lässt sich die Verarbeitung und das Dekorprogramm stilistisch zwar mit einem Weihwasserkessel aus Beszterec, mit einer Ikone aus S. Marco in Venedig und einer Staurothek in St. Petersburg vergleichen, doch sind diese Werke ebenso wenig datiert wie die Weihebrotschale, so dass sie keine gesicherten Anhaltspunkte liefern. Sie bestätigen eine Datierung ins späte 11. oder ins 12. Jahrhundert.
Innerhalb der aus dem byzantinischen Kulturkreis überlieferten Weihbrotschalen ragt die Ikonographie der Halberstädter Weihbrotschale heraus. Denn eine Kreuzigungsdarstellung ist ungewöhnlich, normalerweise findet sich dort allenfalls ein schlichtes Kreuz. Die Darstellung selbst folgt byzantinischer Bildtradition in Abwandlung, wobei hier die Betonung Mariens durch die Erweiterung der Kreuzigungsdarstellung um die Muttergottes und den Jünger Johannes und die auf sie bezogenen Worte Jesu auffällt. Die Bildmedaillons der Heiligen sind ebenfalls selten auf Weihbrotschalen wiederzufinden. Sie greifen aber die in der Ostkirche bei der Feier des Abendmahls üblichen Nennungen der Heiligen auf und lassen sich somit aus der Liturgie erklären. Diese Besonderheiten der Weihbrotschale verbinden sich mit einer über die Vergleichsbeispiele herausragenden Qualität: Ihre Herstellung bildet eine Mischung verschiedener Verfahren, die von einem gegossenen Rohling ausgingen, der stark durch Treibarbeit, Ziselierungen und Gravuren überarbeitet wurde; die Wände konnten dabei bis auf 0,5 mm dünn werden. Die anschließende Vergoldung erfolgte so reich, dass die Schale trotz des Silberkerns noch heute golden glänzt.
Sowohl die ikonographischen Besonderheiten als auch diese qualitativ hochwertige gestalterische Umsetzung belegen die Annahme einer herausragenden einstigen Funktion. Hecht verbindet mit ihr schriftliche Berichte von einer goldenen Schale in der Palastkapelle in Konstantinopel, die die heiligsten Reliquien des byzantinischen Reiches aufbewahrten. Darunter befand sich ein Teil des Brotes, das Christus selbst beim Letzten Abendmahl ausgab. Es wurde auf einem goldenen Geschirr verwahrt, das eine der Weihbrotschale ähnliche Inschrift mit den Einsetzungsworten Christi beinhaltete. Der Zeitgenosse Nikolaos-Nektarios von Otranto bezeugte, der Halberstädter Bischof habe gemeinsam mit dem Bischof von Betlehem die Kapelle geplündert (Hecht 2011, S. 25-29). Hecht zieht daraus den vorsichtigen Schluss, dass es sich somit bei der Weihbrotschale um eben diese Schale zur Aufbewahrung des „wahren“ Brotes der Konstantinopler Palastkapelle handeln könne.

Diese oder eine ebenfalls hochwertige Schale brachte Bischof Konrad von Krosigk nach Halberstadt. Die große Dimension des Brottellers wurde allerdings in der Messe des Halberstädter Doms nicht gebraucht, da dort gemäß dem lateinischen Ritus Oblaten ausgeteilt wurden im Gegensatz zu Broten im byzantinischen Ritus. Daher fand ein Gebrauchswechsel statt. Die Weihbrotschale wurde zu einem tellerförmigen Sockel eines Reliquiars des heiligen Stephanus, des Patrons des Doms, umgewidmet. Hierfür montierte man vier eigens dafür hergestellte vergoldete Bronzefiguren in Form steinewerfender Juden auf den Tellerrand, die eindeutig das Martyrium, die Steinigung des Stephanus, konnotieren. Über ihren Knien besitzen sie dornartige Auflager als Arretierungen für ein darauf montiertes Reliquiar oder eine Statue des Hl. Stephanus. Was darüber folgte, ist nicht überliefert. Ob es sich dabei um eine Stephanusfigur handelte oder ob es mit dem heute noch vorhandenen Armreliquiar des Hl. Stephanus zu identifizieren ist, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Das Armreliquiar hat seinen ehemaligen Sockel verloren, der die Arretierung für die Anbringung auf den Dornen der Steinewerfer enthalten haben könnte.
Allerdings steht dieses Armreliquiar bzw. die darin sich befindliche Reliquie in unmittelbarem Kontext mit den Schenkungen Konrads von Krosigk. Die Schenkungsurkunde (Schmidt 1883, S. 401) nennt „testam capitis b. Stephani protomariris auro argento et gemmis ornatam, [die Schale des Kopfes des seeligen Stephanus, Protomärtyrer, mit Gold, Silber und Edelsteinen verziert …]“ sowie ein „cyborium argenteum, in quo testa prothomartyris recondita est, auro et gemmis ornatum, [ein silbernes Ziborium, in welchem der Kopf des Prothomärtyrers gelagert ist, mit Gold und Edelsteinen verziert …]“. Der Knochen aus der Schädeldecke ist in das Armreliquiar des Hl. Stephanus aus Gold und mit Edelsteinen sichtbar in einem Fenster mit Bergkristallabdeckung eingefügt. Daher läge es durchaus nahe, für diese mitgebrachte Reliquie die ebenfalls mitgebrachte Weihbrotschale zu verwenden. Diese ist wohl in dem Eintrag der Urkunde zu erkennen, der sie als „Cyborium ubi sacrificium preparatur [ein Ziborium wo das heilige Opfer bereitet wird]“ angibt.

Material/Technik

Silber, gegossen, getrieben, ziseliert, graviert, vergoldet

Maße

Durchmesser 41,4 cm. Höhe 3,8 cm. Gewicht 2242 g

Literatur

  • Bednarz, Ute; Findeisen, Peter; Janke, Petra; Krause, Hans-Joachim; Pregla, Barbara (2009): Kostbarkeiten aus dem Domschatz zu Halberstadt. Wettin-Löbejün OT Dößel, 86-88
  • Elis, Carl (1857): Der Dom zu Halberstadt. Historisch-archäologische Beschreibung. Halberstadt, 72
  • Evans, Helen C. / Wixom, William D. (Hg.) (1997): The Glory of Byzantium. Art and Culture of the Middle Byzantine Era A. D. 843-1261. New York, 68-69
  • Falke, Otto von (1936): Der Halberstädter Domschatz. In: Pantheon: Internationale Zeitschrift für Kunst, S. 265-269. München, 265, 286
  • Flemming, Johanna (1979): Byzantinische Schatzkunst. Berlin, 69-70
  • Fuhrmann, Hans (2009): Die Inschriften des Doms zu Halberstadt. (Die Deutschen Inschriften, hrsg. v. d. Akademien der Wissenschaften in Düsseldorf, Göttingen, Heidelberg, Leipzig, Mainz, München und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, Bd. 75, Leipziger Reihe Bd. 3.). Wiesbaden, 14-19
  • Harald Meller, Ingo Mundt, Boje E. Hans Schmuhl (Hrsg.) (2008): Der Heilige Schatz im Dom zu Halberstadt. Regensburg: Schnell & Steiner, 90-93
  • Hecht, Christian (2011): Von Byzanz nach Halberstadt. Der byzantinische Diskos des Halberstädter Domschatzes. (Kleine Hefte zur Denkmalpflege 4). Halle, 147-158
  • Henkelmann, Vera (2013): Ein Nachguss des Halberstädter Diskos und die Nachbildungen historischer Kunstgegenstände im Eisenkunstguss des 19. Jahrhunderts. Berlin
  • Hermes, Ernst (1896): Der Dom zu Halberstadt. Seine Geschichte und seine Schätze. Eine Festschrift zum 18. September 1896. Halberstadt, 89
  • Hinz, Paulus (1964): Der Domschatz zu Halberstadt. Halberstadt, 12
  • Janke, Petra (2006): Ein heilbringender Schatz. Die Reliquienverehrung am Halberstädter Dom im Mittelalter. Berlin, München, 216-219
  • Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (Hg.) (2010): ... das Heilige sichtbar machen. Domschätze in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Halle (Saale), Abb. 377
  • Meyer, Erich (1938): Das Dommuseum Halberstadt: Ein Führer. Halberstadt, 26
  • Odenthal, Andreas (2001): Die Liturgie des Gründonnerstags, Karfreitags und Karsamstags im Halberstädter Dom: Textzeugnisse eines Ordinarius aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. In: Archiv für Liturgiewissenschaft, Jg. 43/44, H. 1/2, S. 22-46. Münster, 36
  • Odenthal, Andreas (2010): Diaconi cum rufis casulis precincti : traces of medieval and early modern use of liturgical vestments in the Cathedral of Halberstadt. In: Iconography of liturgical textiles in the Middle Ages (Riggisberger Berichte). Riggisberg, Abb. 26
  • Richter, Jörg (2009): Der Domschatz zu Halberstadt. Führer durch die Ausstellung. Dößel bei Halle (Saale), 154-157
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt

Objekt aus: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Domschatz und Dom St. Stephanus und St. Sixtus zu Halberstadt

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